Was, wenn ich dir sagen würde, dass ich ein Geheimrezept für eine lange und glückliche Partnerschaft habe, das nach einem berühmten Künstler Michelangelo benannt ist?
Es hat mit Formen, Gestalten und Skulptieren zu tun, steht jedoch in keinem Zusammenhang mit Kunst.
Wovon ich spreche und warum man es Michelangelo-Effekt nennt, verrate ich dir gleich!
Was ist der Michelangelo-Effekt in Beziehungen?
Der Michelangelo-Effekt oder das Michelangelo-Phänomen bezieht sich auf die Art und Weise, wie ein Paar sich gegenseitig positiv “prägt”, definiert und verändert, indem es die positiven Eigenschaften und Merkmale des anderen hervorhebt.
Der Forschung zufolge bezieht sich dieses Phänomen auf die Art und Weise, wie das Selbst durch die Wahrnehmung und das Verhalten eines engen Partners geformt wird.
Die Art und Weise, wie unser Partner uns wahrnimmt, und die positive Bestätigung, die wir von ihm erhalten, motivieren uns, ein besserer Mensch zu sein, und bringen das Beste in uns zum Vorschein. (1)
Jeder Mensch löst ja eine bestimmte Verhaltensweise in uns aus, oder? Jemand macht uns wütend und bringt uns auf die Palme, jemand anderes gibt uns ein gutes Gefühl und bringt unsere Stärke zum Vorschein.
Jeder Mensch, der in unser Leben tritt, hinterlässt auch Spuren auf uns und unserer Persönlichkeit.
Auch wenn wir uns dessen manchmal nicht bewusst sind, haben alle Menschen, die Teil unseres Lebens sind oder waren, zu unserem Selbstbild, zu unserer Persönlichkeitsentwicklung sowie zur Gestaltung unserer zwischenmenschlichen Beziehungen beigetragen.
Dieses Phänomen “zwingt” jedoch eine Person dazu, das zu werden, was sie für ihr ideales Selbst hält, d. h. ihr Partner fördert dieses Ideal.
Der Begriff Michelangelo-Effekt wurde im Jahr 1999 erstmals vom US-amerikanischen Psychologen Stephen Michael Drigotas verwendet und beschrieben.
Er benannte es nach dem berühmten Künstler, der den Prozess der Bildhauerarbeit so beschrieb, als würde man eine verborgene, unsichtbare Figur unter einem Stein freilegen.
Wenn man den Stein und das überschüssige Material entfernt, kommt die “ideale Form der Figur” zum Vorschein, was in der Psychologie metaphorisch auf enge Beziehungen angewendet wird. (1)
Seine Forschungsergebnisse zeigten eine starke Korrelation zwischen der wahrgenommenen Bestätigung durch den Partner und der Selbstbewegung in Richtung des idealen Selbst.
Damit steigern sich auch die Qualität und Stabilität von Beziehungen und Partnerschaften. Im Folgenden verrate ich dir den Grund, warum dieses Phänomen in Beziehungen notwendig ist.
Warum ist Michelangelo Effekt wichtig für eine glückliche Beziehung?
Eine gesunde Beziehung, in der man einander unterstützt, ermöglicht es einem, zu wachsen und sich ständig zu verbessern.
Der Michelangelo-Effekt ist ein notwendiges Prinzip jeder gesunden, langfristigen Beziehung. Im Gegensatz zum sogenannten “Manhattan-Effekt” – bei dem die Partner sich gegenseitig einschränken – ermöglicht dieses Phänomen dem Einzelnen zu wachsen, zu gedeihen, sich zu entwickeln und sein Potenzial zu maximieren.
Der Michelangelo-Effekt in Beziehungen trägt zu Folgendem bei:
1. Dem Gefühl der inneren Zufriedenheit
Die Art und Weise, wie ein Mensch sich selbst durch die Augen seines Partners betrachtet, steht, wie zuvor erwähnt, in einem positiven Zusammenhang mit seiner besten Leistung.
Auf diese Weise wird das Selbstvertrauen des Partners gestärkt (2), das Gefühl der inneren Zufriedenheit wächst und die Partner können eine glückliche und ausgeglichene Beziehung führen.
2. Persönlichem Wachstum
Es ist viel einfacher, etwas zu erreichen, etwas zu beginnen, sich etwas zu trauen und an sich selbst zu glauben, wenn die Person, die man sehr liebt, auch an einen glaubt, nicht wahr?
Mit Hilfe, Unterstützung und Ermutigung kann der Mensch in seinem vollen Glanz erstrahlen. Genau wie die Psychologen Rusbult, Finkel und Kumashiro in ihren Forschungen zu diesem Thema behaupten, muss der Bildhauer nicht nur die im Stein verborgene ideale Form verstehen.
Vielmehr muss er auch den ganzen Stein verstehen, d. h. alles, was um diese ideale Form herum ist.
Einfacher ausgedrückt: Der Mensch muss die Fehler und schlechten Seiten eines Menschen verstehen, d.h. lernen, mit ihnen umzugehen, damit das ideale Selbst zum Vorschein kommt. (3)
Um es klar zu sagen: Wenn es um den Michelangelo-Effekt geht, versuchen die Partner nicht, einander zu verändern, oder haben unrealistische Erwartungen aneinander.
Sie verstehen einfach wie die tatsächlichen Fähigkeiten und Eigenschaften einer Person am besten genutzt werden können, um die Ziele des idealen Selbst zu erreichen, und wie eine Person sich selbst, ihre eigenen Hemmungen und Möglichkeiten wahrnimmt. (3)
Auf diese Weise akzeptieren sie eine Person mit allen Ecken und Kanten und versuchen, der Person zu ermöglichen, das beste Selbst zu sein, was sie sein kann.
So besteht die Möglichkeit, dass eine Person ihre verborgenen Talente entdeckt, etwas Neues ausprobiert und schließlich Erfolg hat.
3. Der Stärkung der Beziehung
Erkenntnisse über die “gegenseitig empfundene Hilfsbereitschaft” (engl. mutual perceived instrumentality) erwiesen, dass die Beziehung und die Verbindung zwischen den Partnern auf diese Weise gestärkt wird. (4)
Bitte versteh mich aber nicht falsch. Die Partner benutzen sich nicht gegenseitig, um ihre Ziele zu erreichen, sondern mit gegenseitiger Unterstützung und Hilfe erreichen sie leichter und schneller, was sie wollen.
Nehmen wir an, du willst dir mit einem neuen Projekt eine bessere Position im Unternehmen sichern.
Du arbeitest Tag und Nacht daran und gibst dein Bestes.
Dein Partner glaubt an dich, hilft dir, ermutigt dich und muntert dich auf, wenn du nicht mehr kannst und keine Energie mehr hast.
Er gibt dir die nötige Energie, um weiterzumachen und schließlich das zu erreichen, was du dir vorgenommen hast.
Hört sich das gut an? Glaubst du auch, dass dies wirklich die Grundlage für eine glückliche Beziehung sein kann? Ich auch.
Schauen wir jetzt mal an, wie du den Michelangelo-Effekt in deiner Beziehung verstärken kannst.
Wie unterstützt man seinen Partner am besten?
Wenn ihr den Michelangelo-Effekt in eurer Beziehung verstärken wollt, findet ihr hier ein paar Tipps dazu, wie man es am besten erreicht.
1. Durch Komplimente und Wertschätzungen
Komplimente und liebevolle Worte sind ein unverzichtbarer Bestandteil jeder Beziehung.
Ein nettes Wort kann einer Person das Gefühl geben, geschätzt, geliebt und akzeptiert zu werden.
Man kann es mit Komplimenten nie übertreiben. Sagt und, noch wichtiger, zeigt einander jeden Tag, dass ihr glücklich seid, einander zu haben.
Sagt einander, dass ihr euch liebt und dankt einander gelegentlich für die Dinge, die ihr für einander tut.
Auf diese Weise steigert ihr eure Verbundenheit und das Gefühl der Zugehörigkeit.
2. Durch Motivation
Sich gegenseitig in Momenten zu motivieren, in denen man keine Kraft mehr hat, ist ein gutes Erfolgsrezept für eine glückliche Beziehung.
Es bedeutet viel, eine Schulter zum Ausweinen, Kraft und Unterstützung in einer Person zu haben. Wir alle erleben Höhen und Tiefen im Leben, denn das Leben ist einfach nicht perfekt.
Aber zu wissen, dass man einander in guten und schlechten Zeiten unterstützt, ist ein echter Rückenwind.
Man kann nach den Sternen greifen, wenn die Person, die uns liebt, hinter uns steht. Also motiviert einander und seid füreinander da, besonders dann, wenn es gerade schwierig erscheint.
3. Durch gegenseitige Hilfe und Akzeptanz
Zur Bestätigung des heutigen Themas:
Beim Michelangelo-Effekt geht es nicht nur darum, die positiven Seiten deines Partners zu betonen, um sein ideales Selbst zum Ausdruck zu bringen.
Es bedeutet nicht nur, dass man ständig die positiven Eigenschaften hervorhebt, sondern dass man sich bewusst ist, dass der Partner ein Mensch mit Stärken und Schwächen ist.
Versucht also zu akzeptieren, dass ihr beide eure Licht- und Schattenseiten habt.
Sprecht über sie. Helft euch gegenseitig, eure Ängste und Hindernisse zu überwinden.
Helft einander in Situationen, in denen ihr untergeht und keinen Ausweg mehr seht. Gegenseitige Akzeptanz und Hilfe sind die besten Grundlagen für eine glückliche und erfolgreiche Beziehung.
4. Durch Bestätigung und Aufmerksamkeit
Man braucht von Zeit zu Zeit eine Bestätigung der Liebe. Die Bestätigung, dass alles in Ordnung ist, dass alles gut wird und dass der geliebte Mensch für einen da ist.
Gebt euch das gegenseitig. Findet in eurem hektischen Alltag Zeit, euch der Pflege eurer Liebe zu widmen.
Denkt daran, dass sie wie eine Blume ist, die gepflegt werden muss. Durch Aufmerksamkeit, Bestätigung und kleine Gesten der Liebe kommt ihr euch noch näher.
Eure Zweisamkeit wird zum Gefühl der Zusammengehörigkeit beitragen und ihr werdet jeden Moment eurer Liebe noch mehr genießen können.
5. Durch gegenseitiges Zuhören
Und zu guter Letzt: Habt immer ein offenes Ohr füreinander.
Auch wenn es um scheinbar triviale Probleme geht: Wenn man jemanden hat, mit dem man seine Sorgen teilen kann, geht alles leichter.
Der Partner ist für uns da, um auch die verborgensten Wünsche, Sorgen und Ängste mit uns zu teilen.
Unser Partner ist für uns da, um das verborgene Biest in uns als auch unsere zarteste Seite kennenzulernen. Genau deswegen ist Kommunikation das A und O in einer Beziehung und trägt zum Wohlbefinden, zur Zufriedenheit und zum Verständnis bei.
Teilt euch gegenseitig mit, was euch auf dem Herzen liegt. Am Ende des Tages seid ihr füreinander da – in Glück und in Traurigkeit.
Und nur wenn man sich dessen bewusst ist, erzielt man den perfekten Michelangelo-Effekt und holt das Beste aus dem anderen heraus.
Fazit
Der, nach dem berühmten Künstler benannte, Michelangelo-Effekt oder das Michelangelo-Phänomen ist ein Begriff, den Psychologen verwenden, um den positiven Einfluss zu beschreiben, den Partner aufeinander haben.
Dieses Phänomen ist in Beziehungen sehr wesentlich, wenn es darum geht, mehr Verbundenheit, Verständnis, Unterstützung und damit letztlich Glück in der Beziehung zu erreichen.
Dies erreicht man, indem man die positiven Seiten seines Partners in den Vordergrund stellt, während man aber gleichzeitig auch seine Schattenseiten akzeptiert.
Also, liebt einander, hört aufeinander, seid füreinander da und schafft so gemeinsam den perfekten Michelangelo-Effekt!
4 Quellen
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1. Drigotas, S.M., Rusbult, C.,E., Wieselquist, J., Whitton, S.,W. (1999) Close partner as sculptor of the ideal self: Behavioral affirmation and the Michelangelo phenomenon. Journal of Personality and Social Psychology.
2. Patrick, L.M. (2018) Attachment Styles and the Michelangelo Phenomenon: Role of Individual Differences in Interpersonal Growth Striving. University of Kentucky.
3. Rusbult, C. E., Finkel, E. J., Kumashiro, M. (2009). The Michelangelo Phenomenon. Current Directions in Psychological Science
4. Orehek, E., Forest, A., L. (2016). When People Serve as Means to Goals: Implications of a Motivational Account of Close Relationships. Current Directions in Psychological Science.