… wie das Leben uns manchmal wie ein Insekt zertrampelt. Wir drehen uns nicht einmal um und schon hat sich eine Wolke von Schwierigkeiten und Unglück wie aus dem Nichts gebildet und die Sonne unserer Lebensfreude und des Glücks verdunkelt.
Wie viele Menschen haben ihr ganzes Leben lang mit einigen schwierigen Herausforderungen zu kämpfen gehabt; dem Tod von Lieblingsmenschen, einer Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes und einer Million anderer Dinge, die uns dazu bringen würden, sich unter eine Decke zu verkriechen und das eigene Leben zu verschlafen.
Aber es gibt Menschen, die dennoch hartnäckig in ihrem Lebenskampf sind. Sie gehen tapfer durchs Leben und ertragen alles mit stoischem Gleichmut. Wir fragen uns wie?
Man sagt, was uns nicht umbringt, macht uns stärker…
Aber wie ist es möglich, die geistige und körperliche Gesundheit zu erhalten und dennoch nach vorne zu streben, nachdem uns das Leben mit einem Schlag getroffen hat, der uns zu Boden stößt?
Was ist das Geheimnis?
Diese Frage wurde schon in den 1970-er vom israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky durchleuchtet.
Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky führte eine Studie zur Anpassungsfähigkeit an die Menopause durch, die auf einer Gruppe von Frauen beruhte, die in jungen Jahren in Konzentrationslagern gefangen gehalten wurden.
Er verglich ihre Fähigkeit, mit diesem hormonellen Zustand umzugehen mit der Kontrollgruppe.
Trotz dieser verbrachten Zeit im Konzentrationslager gab es Frauen, die der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe körperlich und geistig als vollkommen gesund einstufte.
Sie schienen geeignete Ressourcen zu haben, die sie trotz schlechter Erfahrungen (Stressoren) gesund hielten.
Diese Widerstandsressourcen sind wichtig, um Schutz und Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressoren aufzubauen beziehungsweise sie stellen die Kraftquellen einer positiven Entwicklung dar.
Durch diese Studie entwickelte er die Theorie der Salutogenese, beschrieben in seinem Buch Salutogenese-Entmystifizierung der Gesundheit.
Was ist Salutogenese?
Salutogenese ist ein relativ neues sozialmedizinisches Konzept, das sich auf Faktoren konzentriert, die die menschliche Gesundheit und das Gefühl der Zufriedenheit unterstützen und nicht auf Faktoren, die Krankheit und Unzufriedenheit verursachen.
Das Wort Salutogenese stammt aus dem Lateinischen “salus” oder “salis”, was Gesundheit bedeutet, und dem griechischen “genesis”, was Herkunft bedeutet.
Das Modell der Salutogenese beschreibt eine neue Richtung in der Forschung, die sich mit der Entstehung von Gesundheit in Bezug auf Körper, Seele und Geist befasst und die grundlegenden Ursachen für Gesundheit und Wohlbefinden betrachtet.
Im Gegensatz zur Suche nach dem Ursprung der Krankheit und ihrer Prävention lautet die grundlegende Frage, die jetzt gestellt wird: „Woher kommt die Gesundheit? Wie kann sie gestärkt werden?“
Das gegensätzliche Paradigma ist die Pathogenese. Dieses Wort stammt von den griechischen Wörtern “pathos” Leiden und “genesis” Anfang oder Ursprung.
Eine pathogenetische Sichtweise bezeichnet den Ursprung oder die Wurzel der Krankheit.
Die Idee der Prävention von Krankheiten ist sehr stark mit dem pathogenetischen Konzept verbunden, in dem versucht wird, die Ursache der Krankheit zu verhindern oder zu unterdrücken.
Der Begriff der Pathogenese – zum Beispiel im Fall einer Infektionskrankheit – basiert auf der Idee einer Infektion. Die Frage lautet also: Wer hat das auf mich übertragen? oder Welches Antibiotikum sollte ich jetzt nehmen?
Andererseits basiert das salutogenetisch-orientierende Konzept auf der Frage: Warum bleibe ich gesund, während alle um mich herum eine Infektionskrankheit haben?
Weiterhin beschäftigt sich das salutogenetische Konzept mit den Fragen:
Wie kann man lernen, mit verschiedenen Lebensumständen umzugehen und gleichzeitig innere Flexibilität zu erreichen? Wie geht man mit Frustration und Stress um und bewahrt trotzdem Stabilität und Integrität des Charakters?
Dies bringt uns zu einem neuen Konzept, das unter dem Einfluss der Salutogenese entwickelt wurde: dem Konzept des Kohärenzgefühls.
Im psychologischen Bereich bezieht sich das Konzept der Salutogenese jedoch darauf, ein Kohärenzgefühl aufzubauen – ein Gefühl, das alles verbindet, was existiert.
Nur wenn wir sowohl im Detail als auch in den weiteren Aspekten dieser Welt einen Sinn finden, können wir einen Sinn im Leben finden.
Was ist ein Kohärenzgefühl und wie wird es erreicht?
Ein Kohärenzgefühl oder Kohärenzsinn (Englisch: Sense of Coherence oder SOC) bedeutet: ein Gefühl der Zugehörigkeit und eine tiefe innere Zufriedenheit mit sich selbst und anderen.
Es ähnelt dem Konzept der Resilienz beziehungsweise unserer Fähigkeit, nach Stressfaktoren wieder ‘in Form’ zu sein.
Das Kohärenzgefühl ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß man das Gefühl hat, dass
1. die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind;
2. einem die Ressourcen und Schutzfaktoren zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen;
3. diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Mühe erfordern.
Dementsprechend wird das Kohärenzgefühl nach Antonovskys Modell von drei Komponenten gebildet:
• Verstehbarkeit (comprehensibility): die Fähigkeit, das Leben, die Umwelt und Situationen als etwas Strukturiertes, Sinnvolles und Erklärbares zu verstehen
• Handhabbarkeit/Bewältigbarkeit (manageability): die Fähigkeit, Schwierigkeiten und Krisen zu überwinden und das eigene Leben so zu gestalten, wie man es möchte
• Sinn/Bedeutsamkeit (meaningfulness): den Sinn des Lebens zu verstehen, beziehungsweise die Fähigkeit zu verstehen, dass es sich lohnt, die Herausforderungen des Lebens zu bekämpfen.
Jeder Mensch entwickelt diese drei Eigenschaften in seinen ersten 20 Lebensjahren.
Je nachdem, wie stark sie ausgeprägt sind, können Menschen Krisen, wie z.B. dem Tod eines Familienmitglieds, stressigen Arbeitsphasen oder sogar Krankheiten mit unterschiedlichem Wohlbefinden bewältigen.
Wie gesund wir sind, hängt von den Eigenschaften dieser drei Merkmale ab.
Theoretische Modelle können verwendet werden, um Pathogenese und Salutogenese zu beschreiben.
Aber wie kann man in der Praxis ein Kohärenzgefühl erreichen, wie Antonovsky es beschreibt?
Persönliche Widerstandsressourcen wie Intelligenz, Flexibilität, materielles Wohlbefinden, soziales Netzwerk und das Immunsystem spielen eine wichtige Rolle.
Wer einen hohen Lebensstandard, viele Freunde und eine gute Ausbildung hat, hat die besten Voraussetzungen, um gesund zu bleiben.
Die Gesundheit hängt daher stark von äußeren Umständen ab. Ebenso wichtig ist ein positives Selbstwertgefühl und die Arbeit an der eigenen Identität. Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann dauerhaft gesund bleiben.
Das Gute ist, dass man sein Kohärenzgefühl durch das Leben beeinflussen kann, indem man:
• Nach dem Sinn seines Lebens sucht, das heißt, was einem Kraft gibt und einen weiter treibt;
• Stresssituationen versteht und Stressfaktoren analysiert;
• Etwas findet, das einem hilft, mit Stresssituationen umzugehen und sich daran erinnert, wie man zuvor mit ihnen umgegangen ist;
• Sich mit Menschen umgibt, die unser Kohärenzgefühl fördern;
• Unser Selbstbewusstsein stärkt;
• Ein angenehmen Arbeits- und Lebensumfeld zur Verbesserung der Gesundheit schafft.
Fazit: Zusammenfassend ist Gesundheit ein Prozess, keine Bedingung. Es gibt immer Phasen im Leben, in denen Krankheit oder Gesundheit vorherrschen.
Ein ausgewogener Lebensstil, der Widerstandsressourcen fördert und gesunde Gesundheitsziele für die Salutogenese festlegt, ist jedoch der beste Weg, um langfristig gesund zu bleiben.