An den Menschen, der mir meinen Frieden raubte – und wie ich ihn mir zurückhole
An dich,
es hat lange gedauert, bis ich die richtigen Worte fand. Vielleicht, weil ich so oft dachte, ich müsste dich verstehen, bevor ich loslassen kann.
Vielleicht, weil ich glaubte, Frieden fände man erst, wenn man Antworten hat.
Aber heute schreibe ich nicht, um zu verstehen. Ich schreibe, um loszulassen. Um mir selbst zurückzugeben, was ich dir viel zu lange überlassen habe: meinen Frieden.
Du kamst in mein Leben wie ein Sturm. Laut, intensiv, faszinierend. Du hattest diese Art an dir, die alles in mir wachrüttelte – als hättest du mich erkannt, bevor ich mich selbst kannte.
Ich dachte, du seist ein Zeichen. Heute weiß ich: Du warst eine Lektion.

Am Anfang war alles leicht. Du hast mich zum Lachen gebracht, mich gesehen, mich gespürt – oder zumindest glaubte ich das.
Du hast mir das Gefühl gegeben, ich sei besonders. Aber was ich nicht verstand: Ich war nicht besonders für dich – ich war nur praktisch.
Ich war das, was dich fütterte, wenn du leer warst. Ich war das, was du brauchtest, wenn du dich selbst nicht fühlen konntest. Ich war die Schulter, die du benutzt hast, um größer zu wirken.
Und jedes Mal, wenn ich merkte, dass etwas nicht stimmt, hast du es gedreht. Du warst charmant, überzeugend, ruhig.
Du hast mir das Gefühl gegeben, dass ich zu empfindlich bin, dass ich zu viel denke, zu viel fühle, zu viel will.
Irgendwann glaubte ich es.
Ich habe meinen Frieden nicht auf einmal verloren. Ich habe ihn Stück für Stück abgegeben.
Mit jeder Entschuldigung, die ich dir gab, obwohl ich im Recht war. Mit jedem Mal, wenn ich schwieg, um Streit zu vermeiden.
Mit jedem Versuch, dich zu verstehen, während du mich absichtlich verwirrt hast.
Ich habe meine Energie in dich investiert, als wärst du ein Projekt, das ich retten muss. Ich dachte, Liebe hieße Geduld, Nachsicht, Verständnis.
Aber du hast mich gelehrt: Liebe ohne Gegenseitigkeit ist kein Geben – es ist Aufopferung.
Und ich war müde vom Aufopfern.

Ich erinnere mich an den Moment, in dem ich nicht mehr ich selbst war. Ich sprach vorsichtiger. Ich lachte leiser. Ich zweifelte an mir, an meinen Wahrnehmungen, an meinem Wert.
Ich begann, mich selbst zu zensieren. Um dich nicht zu provozieren, um dich nicht zu verlieren, um den Frieden zu wahren – den Frieden, den du mir längst genommen hattest.
Ich wollte dich zufriedenstellen, doch egal, wie sehr ich mich bemühte, es war nie genug. Du hast mich emotional leer geliebt.
Und ich blieb.
Nicht, weil ich schwach war. Sondern, weil ich glaubte, das sei Liebe.
Aber Liebe macht nicht klein. Sie lässt dich nicht in Angst leben, nicht auf Eierschalen gehen, nicht mit Schuldgefühlen schlafen.
Liebe ist kein Rätsel, das man lösen muss. Sie ist kein Krieg, den man gewinnen will.
Und irgendwann verstand ich: Ich kann keinen Frieden finden, wenn ich ihn ständig in den Händen eines anderen suche.
Also begann ich, mich zurückzuholen. Leise. Langsam. Schritt für Schritt.

Ich erinnere mich an den ersten Tag, an dem ich nicht auf deine Nachricht wartete. An den ersten Morgen, an dem ich Kaffee trank und dein Name nicht durch meinen Kopf zog.
An den Moment, in dem ich merkte, dass Schweigen kein Schmerz mehr war – sondern Ruhe.
Ich habe aufgehört, dich zu hassen. Ich habe aufgehört, dich zu rechtfertigen. Ich habe aufgehört, zu hoffen, dass du irgendwann erkennst, was du getan hast.
Denn ich erkenne es jetzt. Und das reicht.
Ich weiß, du würdest nie verstehen, was du mir genommen hast. Und das ist okay.
Denn ich weiß heute, dass du nur geben kannst, was in dir selbst existiert. Und in dir war kein Frieden – also konntest du mir keinen geben.
Du hast mich zerstört – aber ich habe gelernt, mich wieder aufzubauen. Und jedes Stück von mir, das ich zurückerobert habe, glänzt heller als zuvor.
Ich habe gelernt, Grenzen zu ziehen – nicht aus Angst, sondern aus Selbstachtung. Ich habe gelernt, dass Stille mächtiger sein kann als jede Rechtfertigung.
Und dass Loslassen keine Schwäche ist – sondern Selbstschutz.
Ich habe aufgehört, dich in meinen Gedanken zu verteidigen. Ich habe aufgehört, mir einzureden, du hättest es nicht besser gewusst.
Denn du wusstest, was du tatest. Du hast nur nie geglaubt, dass ich stark genug bin, um dich zu verlassen.

Aber ich war es. Und ich bin es. Ich bin durch Feuer gegangen, durch Zweifel, durch Selbsthass – und ich habe mich auf der anderen Seite wiedergefunden: frei.
Frieden fühlt sich heute anders an. Er ist nicht laut, nicht euphorisch, nicht spektakulär. Er ist still.
Er ist da, wenn ich morgens aufwache und tief atme. Wenn ich mich anschaue und mich mag, ohne Grund. Wenn ich Nein sage, ohne mich zu erklären. Wenn ich Menschen um mich habe, die nicht nehmen, sondern geben.
Ich bin kein Schatten mehr von dem, was ich war – ich bin wieder Licht.
Und das Schönste ist: Ich brauche niemanden mehr, um es zu sehen.
Manchmal denke ich an dich, aber ohne Groll. Nicht, weil ich dich vermisse – sondern, weil ich stolz auf mich bin.
Ich habe mich nicht an deiner Dunkelheit gebrochen. Ich habe daraus mein eigenes Licht gemacht.
Ich weiß heute, dass ich Menschen nicht mehr heilen will, die sich in ihrem Chaos wohlfühlen. Ich weiß, dass ich kein Projekt bin, sondern ein Mensch.
Ein ganzer, liebenswerter, kluger Mensch, der endlich gelernt hat: Mein Frieden ist mein Zuhause. Und niemand wird ihn mir je wieder nehmen.

Also danke. Nicht für das, was du getan hast – sondern für das, was ich dadurch geworden bin. Du warst der Sturm.
Ich war der Baum, der sich bog, aber nicht brach.
Und jetzt stehe ich wieder – fest, ruhig, unerschütterlich. Mit Wurzeln, die stärker sind als jede Verletzung. Mit einem Herzen, das sich selbst gehört.
Ich bin nicht mehr wütend. Ich bin wach. Und das ist mein Frieden.
Ein Brief, den ich nie verschickt habe – aber der mich daran erinnert: Mein Frieden gehört mir. Und ich lasse ihn nie wieder los.