An meine erste große Liebe – die ich nie wirklich loslassen konnte
Lieber du,
es ist so viele Jahre her, und doch trage ich dich immer noch bei mir, so als wärst du ein Lied, das nie ganz verstummt.
Manchmal ist es nur ein leiser Akkord, kaum hörbar im Alltag, und manchmal so laut, dass er alles übertönt.
Ich dachte, irgendwann würde die Zeit dich aus meinem Herzen herauswaschen, so wie Regen alte Kreide von den Straßen spült. Doch da bist du immer noch.
Nicht mehr so scharf, nicht mehr so allgegenwärtig, aber immer irgendwie da.

Ich erinnere mich an den Anfang, als wäre er gestern gewesen.
Diese Aufregung, wenn du kamst. Dieses Knistern, das jeder Blick zwischen uns trug.
Ich weiß noch, wie sich meine Welt zum ersten Mal größer anfühlte, weiter, heller – einfach, weil du darin warst.
Du warst mein Beweis, dass Liebe nicht nur in Filmen existiert, sondern mitten in meinem Leben.
Ich weiß noch, wie wir nächtelang auf der Motorhaube deines Autos saßen, in den Himmel starrten und dachten, unsere Zukunft wäre grenzenlos.
Ich war jung, voller Sehnsucht, voller Träume – und du warst das erste Herz, in dem ich mich wiederfand.
Mit dir habe ich gelernt, wie sich Nähe anfühlt. Mit dir habe ich gelernt, wie man nachts stundenlang redet und trotzdem nicht genug hat.
Mit dir habe ich gespürt, wie Liebe zugleich Flügel und Wurzel sein kann.
Du warst die erste große Liebe, und genau darin liegt der Zauber: Sie ist immer das erste Mal. Unwiederholbar. Unvergleichlich.

Und doch weiß ich auch: Wir waren jung. Zu jung, um zu verstehen, dass Liebe mehr braucht als Schmetterlinge. Zu jung, um zu wissen, dass man Grenzen braucht, damit Nähe nicht erdrückt.
Wir waren Anfänger in etwas, das größer war als wir. Wir hatten keine Landkarte, nur unser Herz – und manchmal führte es uns in Sackgassen.
Es gab die Tage voller Lachen, voller Pläne. Aber auch die, an denen wir uns verloren, weil das Leben schneller war als unsere Liebe.
Wir hatten Erwartungen, die wir nicht erfüllen konnten, unausgesprochene Wünsche, die wie Schatten zwischen uns standen.
Und irgendwann kam der Tag, an dem wir beide wussten: Es reicht nicht mehr. So sehr wir wollten, es reichte nicht.
Doch loslassen – das konnte ich nicht.

Ich habe dich nicht nur als Menschen geliebt, ich habe auch die Version von mir selbst geliebt, die ich an deiner Seite war.
Ich war mutiger, leichter, lebendiger.
Und als du gingst, hatte ich das Gefühl, nicht nur dich zu verlieren, sondern auch dieses Stück von mir. Vielleicht war es deshalb so schwer, dich gehen zu lassen. Vielleicht trauere ich bis heute nicht nur um dich, sondern auch um das Mädchen, das ich damals war.
Wie oft habe ich mir gesagt: „Es ist vorbei. Du musst weitermachen.“ Und ja, ich habe geliebt, ich habe gelebt, ich habe gelacht.
Aber tief in mir blieb ein kleiner Raum, in dem du immer noch wohnst.
Nicht wie ein Gast, der Platz wegnimmt, sondern wie ein Bild, das man nie abhängt, weil es Teil der eigenen Geschichte ist.

Manchmal tauchst du auf in den kleinen Dingen.
Ein Lied im Radio. Ein Geruch, der mich zurückwirft in einen Sommer, der längst vergangen ist.
Ein Satz, den jemand sagt, der klingt wie du. Dann schleicht sich dieses Ziehen in mein Herz – zart, melancholisch, bittersüß.
Und ich weiß: Es gibt Menschen, die vergisst man nicht. Nicht, weil man sie nicht loslassen will, sondern weil sie einen geprägt haben.
Du warst meine erste große Liebe.
Und erste Lieben lassen sich nicht in Schubladen sperren. Sie sind wie Tätowierungen, die man trägt – manchmal sichtbar, manchmal verborgen, aber für immer ein Teil von uns.
Es gab Zeiten, da habe ich mich gefragt, ob ich je wirklich frei von dir sein werde. Ob ich je lieben kann, ohne dich als Maßstab, als Erinnerung, als Schatten.
Ich habe mich gefragt, ob du meine Zukunft blockierst, nur weil du meine Vergangenheit warst. Denn nicht nur du bist in meiner Vergangenheit, sondern auch die Frau von damals.
Und vielleicht ja – vielleicht habe ich mich an dir festgehalten, länger als gut für mich war. Aber weißt du was? Heute glaube ich, dass es okay ist.

Ich habe verstanden: Dich loslassen heißt nicht, dich zu vergessen.
Es heißt, Frieden mit dir zu schließen. Es heißt, anzuerkennen, dass wir uns hatten, dass wir uns liebten, und dass es trotzdem nicht für immer war. Es heißt, dankbar zu sein für das, was war – ohne daran festzukleben.
Du wirst immer meine erste große Liebe bleiben. Aber das bedeutet nicht, dass du meine letzte bist.
Es bedeutet nur, dass du der Anfang warst. Der Anfang von allem, was ich über Liebe weiß.
Ich habe gelernt, dass Liebe nicht immer bleibt, aber immer Spuren hinterlässt. Ich habe gelernt, dass mein Herz groß genug ist, um neue Menschen hereinzulassen, ohne die alten ganz zu verdrängen.
Ich habe gelernt, dass man jemanden nie ganz loslässt, aber dass das Leben trotzdem weitergeht – und dass darin eine große Schönheit liegt.

Heute denke ich an dich mit Wehmut, ja, aber auch mit einem Lächeln.
Ich wünsche dir, dass du glücklich bist, egal wo du bist.
Und ich wünsche mir, dass ich dich irgendwann nur noch als das sehe, was du warst: eine Erinnerung, die mich geformt hat, nicht ein Gewicht, das mich festhält.
Denn so ist es mit der ersten großen Liebe: Sie bleibt, aber sie verändert sich.
Sie wird weicher, stiller, zarter. Sie ist kein Feuerwerk mehr, sondern ein Glimmen – das wärmt, aber nicht mehr verbrennt.
Lieber du, ich habe dich nie wirklich losgelassen.
Vielleicht werde ich es auch nie ganz können. Aber ich habe gelernt, dass das nicht heißt, dass ich gefangen bin.
Es heißt nur, dass du ein Teil von mir bist. Ein Kapitel, das nicht mehr geschrieben wird, aber das immer in meinem Buch stehen wird.
Und vielleicht ist das die Wahrheit, die wir alle irgendwann begreifen: Man muss die erste große Liebe nicht vergessen, um Platz für Neues zu haben.
Man darf sie behalten – als Erinnerung, als Teil, als stilles Lächeln im Herzen.
Ich danke dir.
Für den Anfang, für die Lektionen, für die Liebe. Und ich danke mir, dass ich weitergegangen bin, auch mit dir im Herzen.
Mit sanfter Liebe,
die Frau, die gelernt hat, dass Loslassen nicht Vergessen heißt.